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© henne & hund - Schule für Menschen und ihre Hunde - Katja Henne - 2020/21

Stress bei Hunden?!

Anzeichen - Ursachen -

Folgen und wie Sie Ihrem Hund helfen können

Die Stressreaktion ist DAS Survival-Kit für jeden lebenden Organismus und dient vorrangig dazu, sein Überleben zu sichern. Weil sie ein uralter Mechanismus ist und bei vielen Organismen ähnlich abläuft, können Sie nach derzeitigem Stand der Wissenschaft davon ausgehen, dass Sie alles, was Sie über Stress und seine Auswirkungen beim Menschen schon wissen, 1:1 auf Ihren Hund übertragen können - und umgekehrt. Warum ist es so wichtig, auf Stress bei unseren Hunden zu achten? Stress kann unsere Hunde physisch und psychisch krank machen. Und Stress ist häufig die Ursache für sogenanntes problematisches Verhalten: Nahezu jedes Hundeverhalten, das wir Menschen als problematisches Verhalten betrachten, lässt sich auf ein zu hohes Stress-/ Erregungsniveau zurückführen. So fallen z.B. die emotionalen Reaktionen Angst und Aggression umso stärker aus, je höher der Stresspegel bzw. das Erregungs-niveau in dem jeweiligen Moment ist.

Anzeichen von Stress

Stress hat viele Gesichter. Und wie bei uns Menschen können Organismen sehr unterschiedlich auf Stress reagieren. Bei uns Menschen sagt man, dass jeder seine spezielle Schwachstelle / sein persönliches “Ventil” hat, an der er am anfälligsten ist. Das können bei dem einen Muskelver- spannungen bis hin zu massiven Rücken-oder Kopfschmerzen sein, beim anderen Magenschmerzen bis hin zum Magengeschwür, ein anderer bekommt eine “schlechte” Haut oder eine Allergie und wieder ein anderer einen Tinitus und so weiter. Bei unseren Hunden ist das leider nicht viel anders. Die Anzeichen für Stress sind vielfältig. Und nahezu jedes Verhalten kann auch ein Anzeichen von Stress sein. Umgekehrt können Verhaltensweisen, die typisch für Stress sind, auch andere Ursachen haben. Deshalb müssen die Anzeichen im Kontext betrachtet werden, in dem das Verhalten gezeigt wird. Klingt kompliziert? Ist es aber nicht. Wenn Sie offen sind für dieses Thema, Ihren Hund gut beobachten und versuchen, sich in manchen Situationen in Ihren Hund “hineinzuversetzen”, werden Sie schnell eine ganze Reihe von Verhaltensweisen und Anzeichen an Ihrem Hund entdecken, die bedeuten, dass er gestresst ist. typische Anzeichen von Stress, die häufig zu beobachten sind: sich schütteln am Boden wälzen hecheln speicheln / sabbern eine tropfende Nase Niesen plötzliches Auftreten von Schuppen akuter Haarausfall Schweißpfoten Appetitlosigkeit oder Fresssucht vermehrtes Trinken Durchfall, Erbrechen oder Verstopfung Koten und Urinieren Haare im Nacken- und Rückenbereich werden zur Bürste aufgestellt das Aufreiten auf anderen Hunden, Kissen, Plüschtieren oder anderem das Ausschachten des Penis beim Rüden Zittern vibrierende Tasthaare im Kopfbereich weit aufgerissene Augen flackernder Blick das Verändern der Augenfarbe exessives Bellen, Jaulen oder Winseln Ziehen an der Leine In-die-Leine-beißen Überreagieren in Situationen, in denen der Hund sonst gelassen reagieren kann aggressives oder ängstliches Verhalten mangelnde Konzentration Ruhelosigkeit Überaktivität Nervosität wildes Buddeln wildes Kauen auf Stöcken oder ähnlichem das Zerstören von Dingen starker Geruch aus Ohren, Maul oder am ganzen Körper Muskelverspannungen, Steifheit das Zeigen verschiedenster Beschwichtigungssignale, z.B. Gähnen, Augenblinzeln, Wegschauen, Verkürzen des Blicks, Kopf wegdrehen, Hinsetzen, Hinlegen, sich kratzen, Verlangsamen von Bewegung, Züngeln, über die Schnauze Lecken, Pfote anheben und viele mehr selbst Jagdverhalten kann bei manchen Hunden eine Folge von Stress sein stereotype Verhaltensweisen, z.B. das Hinterherjagen des eigenen Schwanzes, das Jagen von Lichtpunkten, Schatten oder Fliegen, monotones Dauerbellen oder übertriebene Körperpflege bis hin zum Wundlecken das geistige Abtauchen in eine innere Welt, ein völliges Abschalten Fixieren eines (imaginären) Punktes oder Gegenstandes Hypersexualität oder das fast gänzliche Erlöschen des Sexualtriebs veränderter Sexualzyklus Allergien etc. einige mögliche Ursachen für Stress: zu anstrengende oder zu aufregende Spaziergänge oder andere Aktivitäten zu wildes oder raues Spiel Jagdspiele, z.B. Ball-/Stöckchen-/Frisbeewerfen oder das Training mit einer Reizangel ein voller Terminplan des Hundes ohne ausreichende Erholungspausen Überforderung Unterforderung neue, bisher unbekannte Situationen Tierarztbesuche Hunger, Durst, Kälte, Hitze sich nicht lösen dürfen / können zu wenig Ruhe und Schlaf Schmerzen Krankheiten und Allergien ungünstige Begegnungen mit anderen Hunden, die z.B. zu schnell, zu laut, zu viele, zu rüpelhaft oder zu groß sind fehlender positiver Kontakt zu anderen Hunden Isolation - zu lange alleine bleiben zu müssen zu viel oder zu wenig Körperkontakt jede Form von Bedrohung, Gewalt und Zwang das fehlende Gefühl von Sicherheit das Gefühl, nicht zu verstehen und nicht verstanden zu werden Erwartungsunsicherheit das Gefühl der Hilflosigkeit Trauer und Verlust Ärger, Aggression, Hektik, Gewalt, Wut und Stress im sozialen Umfeld / in der Familie Kinder bis zu einem gewissen Alter Lärm Autofahren etc.

Die Folgen von Stress

Es lohnt sich für Sie und Ihren Hund, über Stress nachzudenken und ein Augenmerk darauf zu richten. Denn wenn Ihr Hund ständig unter Stress steht und sich nicht davon erholen kann, leidet er an chronischem Stress mit schlimmen Folgen, wie z.B.: Allergien Augen- und Ohrenentzündungen Störungen des Magen-/Darm-Traktes Immunschwäche Herz-Kreislauf-Erkrankungen Diabetes Leber- und Nierenerkrankungen Muskelabbau Aggression Ängstlichkeit Geräuschempfindlichkeit Teilnahmslosigkeit / Apathie Depression Schlafstörungen und nicht erholsamem Schlaf fehlender Neugier fehlender Lernmotivation Lern- und Gedächtnisschwäche Konzentrationsproblemen Zerstörungswut Stereotypien dem Absterben von Gehirnzellen etc. Wie Sie Ihrem Hund helfen können? Bewahren Sie Ruhe! Lernen Sie Ihren Hund besser zu verstehen und üben Sie sich darin, Ihren Hund und seine Körpersprache gut zu beobachten. Finden Sie heraus, was Ihren Hund immer wieder stresst und vermeiden Sie diese Situationen - oder verändern Sie sie. In akuten Situationen: helfen Sie Ihrem Hund aus dieser Situation heraus und / oder geben Sie ihm Schutz und Sicherheit. Geben Sie Ihrem Hund genügend Zeit zur Erholung. Es dauert, bis Stresshormone abgebaut sind und der Hormonhaushalt wieder im Gleichgewicht ist. Nach lang anhaltendem, chronischen Stress braucht es außerdem viel Zeit, um sich von den Anpassungsreaktionen und -krankheiten zu erholen, sofern dies überhaupt noch vollständig möglich ist. Geben Sie Ihrem Hund daher 2-6 Tage Zeit zur Erholung nach akutem Stress und bis zu 9-10 Monate nach lang anhaltendem, chronischen Stress. Sorgen Sie dafür, dass Ihr Hund Ruhe finden kann und genügend schläft: gesunde erwachsene Hunde brauchen zwischen 12 - 18 h Ruhe und Schlaf pro Tag; junge, alte und kranke Hunde benötigen entsprechend mehr. Führen Sie in Ihrer Familie außerdem die Hausregel ein:” Schlafende Hunde darf man nicht wecken!” Geben Sie Ihrem Hund das Gefühl von Sicherheit und Geborgenheit. Dazu gehört u.a. auch das regelmäßige ausreichende Füttern. Erpressen Sie ihn nicht über sein Futter. Lassen Sie abklären, ob Ihr Hund krank ist oder Schmerzen hat. Denken Sie auch daran, die Zähne von einem Fachtierarzt für Zahnheilkunde sorgfältig kontrollieren und auch die Schilddrüsenwerte von einem Fachtierarzt überprüfen zu lassen. Um hierbei eine Schilddrüsenunterfunktion zuverlässig diagnostizieren oder ausschließen zu können ist es wichtig, die Werte T4, fT4, T3, fT3 und TgAA kontrollieren zu lassen! Werden nur T4 und TSH gemessen, ist dies nicht möglich. Klären Sie dies am besten schon im Vorfeld mit dem Tierarzt Ihrer Wahl ab. Was Sie noch tun können! Seien Sie für Ihren Hund berechenbar. Lassen Sie Ihren Hund an Ihrem Leben teilhaben. Gehen Sie mit ihm kürzere Strecken spazieren und lassen Sie ihm dafür viel Zeit und Raum zum Schnüffeln und Erkunden. Verstecken Sie sein Spielzeug und lassen Sie es ihn suchen, anstatt die Dinge zu werfen. Geben Sie Ihrem Hund gesunde Dinge, auf denen er lange kauen kann. Das beruhigt und entspannt ihn. Lassen Sie Ihren Hund Neues erkunden: Ihren Dachboden, Ihre Einkäufe, neue Wege, den Garten ihrer Freunde, den Supermarktparkplatz, eine Kiesbank im Fluss etc. Bauen Sie das Selbstvertrauen Ihres Hundes auf. Stellen Sie Ihren Hund vor kleine Herausforderungen, die er selbstständig meistern kann und lassen Sie ihm danach Zeit, das Erlebte in Ruhe zu verarbeiten. jegliche Art von Nasenarbeit, die freundlich und ruhig aufgebaut wird und Ihnen und Ihrem Hund Spaß macht. Ziel ist ein ruhiges, konzentriertes Arbeiten ihres Hundes; ein auf Aufregung basierendes Training und übersteigerter Ehrgeiz wirken sich kontraproduktiv aus. Überlassen Sie Ihrem Hund etwas Kontrolle über sein Leben: geben Sie ihm z.B. die Möglichkeit, aus verschiedenen ihm angebotenen Kauartikeln wählen zu dürfen. Und bieten Sie ihm verschiedene Ruhe- und Schlafplätze an, unter denen er frei wählen kann. Überlegen Sie außerdem, welche Möglichkeiten Sie Ihrem Hund sonst noch anbieten können frei zu wählen. Probieren Sie etwas aus und erfreuen Sie sich daran Ihren Hund zu beobachten, wie er seine Entscheidung trifft - und welche. Haben Sie keine Sorge: Ihr Hund will bestimmt nicht die Weltherrschaft an sich reißen!
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